Gewaltfreie Kommunikation im Berufsalltag

„Mensch ärgere Dich nicht!“ – Gewaltfreie Kommunikation im Berufsalltag

Du leitest ein Team oder arbeitest in einem Team und denkst manchmal: „So geht es nicht weiter!“?
Der eine (m/w/d) will dies, der andere will das, und beide meinen sie wissen es besser. Und schon haben wir den Salat…
Statt nach einer Lösung zu suchen, bei der beide Parteien gewinnen, wird meist um den heißen Brei herumgeredet.
Konflikte im Team sind wie ein Schwelbrand. Sie werden oft spät oder gar nicht bemerkt. Die Anzeichen sind wie bei einem Schwelbrand nicht immer eindeutig. Achtsam sollte man werden, bei:

  • viele sarkastische Bemerkungen
  • Isolation von einzelnen Personen
  • Informationen werden nicht mehr weitergegeben
  • die Gerüchteküche brodelt
  • nonverbale Abwertungen: abschätzige Blicke, Augenrollen etc.
  • Leistungsabfall
  • wenig Motivation der Mitarbeitenden

Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) ist dabei ein einfacher Ansatz, der hilft, in diesen Konflikten gelassener zu bleiben, sich klar auszudrücken und konstruktive Lösungen zu finden. In der GFK geht es vor allem darum, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, um über das sprechen zu können, was wirklich wichtig ist. Dies trägt dazu bei, Stresssituationen zu bewältigen und die Zusammenarbeit in Teams effektiver zu gestalten.


1. Was ist Gewaltfreie Kommunikation
?

Marshall B. Rosenberg (1934–2015), der die Methode der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) entwickelt hat, legt den Fokus darauf, die eigenen Bedürfnisse und die der anderen zu erkennen, zu verstehen und damit umzugehen. Gewaltfrei bedeutet, dass die Art der Kommunikation ohne Wertung oder Verurteilung/Schuldzuweisungen stattfindet.


Stell Dir folgendes Szenario vor:
Im Teammeeting unterbricht eine Kollegin Dich mehrfach.

Das ist jedoch nicht das erste Mal und heute platzt Dir die Hutschnur und Du sagst:

„Jetzt lass mich mal ausreden! Du unterbrichst und störst mich immer!“

Was sagt darauf der/die Kolleg:in? Ich schätze mal:

Reaktion 1: Die/der Kolleg:in sagt gar nichts.
               Stattdessen: Erschrockenes Schweigen. (Achtung: Schwelbrand Gefahr 🔥)

Reaktion 2: „Du unterbrichst mich auch immer!“ … und da haben wir den Konflikt.

1.1 Was unterscheidet herkömmliche von Gewaltfreier Kommunikation?

Wenn wir uns diese Sätze genau anschauen, finden wir Anschuldigung und Bewertung.
Unsere intuitive Kommunikation basiert ganz oft auf dem Schuldprinzip und bewertet zwischen Opfer und Täter. 

2. Wie funktioniert Gewaltfreie Kommunikation?

Die GfK besteht aus vier Schritten:

  1. Beobachtung und Beschreibung der Situation
  2. Gefühl wahrnehmen und artikulieren
  3. Bedürfnis aufspüren und äußern
  4. Bitte formulieren und einen Dialog öffnen

Schritt 1: Beobachtung 🎥

Was ist passiert? 
Der erste Schritt der GfK ist das Beobachten und Beschreiben der Situation, die in Dir negative Gefühle auslöst.

Beschreibe konkrete, beobachtbare Handlungen (keine Verallgemeinerungen!)
Wertungsfrei
– Ich-Botschaft

Wenn Du in eine Konfliktsituation gerätst, Dich ärgerst, genervt oder traurig bist, reagiere nicht sofort, sondern versuche zunächst einen Schritt zurückzutreten.
Hier hilft der 🎥 Kamera-Blick. Schau Dir an, was gerade geschieht.
Bemühe Dich um Objektivität und vermeide Du-Botschaften, wie beispielsweise:
„Du unterbrichst und störst mich immer!“ oder „Ich mag es nicht, wenn Du mich unterbrichst und störst! Du machst es mir echt schwer.“ (Versteckte Du-Botschaft).

»Immer«, »nie«, »andauernd«, »schon wieder«, sind Verallgemeinerungen.
Du-Botschaften und Verallgemeinerungen reizt Gegenwehr. 

Konkret, beobachtbar, wertungsfrei und handlungsbezogen.
„Im letzten Meeting, konnte ich meinen Bericht über das Projekt nicht ohne Unterbrechung zu Ende bringen.“ 

Gewaltfreie Kommunikation

Schritt 2: Gefühle

Wie geht es mir dann?
Gefühle wahrnehmen und ausdrücken.

In diesem Schritt geht es darum, Deine eigenen Gefühle bewusst wahrzunehmen, die das Verhalten des Gegenübers in Dir ausgelöst hat.

Es ist wichtig, sich auf grundlegende Emotionen zu konzentrieren, ohne dem anderen die Schuld zuzuschieben oder Vorwürfe zu machen.

Gefühle bewusst wahrnehmen und ausdrücken.

Frei von Interpretationen und Vermutungen.

Um Widerstände (Verteidigungsverhalten) beim Gegenüber zu vermeiden, ist es wichtig, die Gefühle nicht mit den Gedanken zu vermischen.

Beispiel:
Ich fühle mich verlassen.“ – hier haben sich Gefühle und Gedanken vermischt.
Damit signalisiere ich dem anderen, dass ich ihn für meine Gefühle verantwortlich mache.

Das Gefühl ist: „Ich fühle mich einsam,“

Der Gedanke: „…weil Du gegangen bist.“

Interpretationsgefühl: „Ich fühle mich verlassen.“

Interpretationsgefühle werden häufig eingeleitet durch:

„Ich habe das Gefühl, dass Du…“

„Ich fühle mich wie …“ (ver-lassen, be-vormundet, un-verstanden, nicht respektiert)

Statt: „Ich bin genervt, weil Du so lange rumtrödelst.“ 

👍 „Ich bin genervt, weil ich über meine Zeit selbst bestimmen möchte.“

Statt dem anderen die Schuld zuzuweisen, spricht man über seine Bedürfnisse oder Interessen. Somit übernimmst Du Verantwortung für Deine Gefühle und die Erfüllung Deiner Bedürfnisse.  

Beispiele für positive Gefühle bei erfüllten Bedürfnissen
ausgeglichen • befreit • begeistert • energiegeladen • engagiert • enthusiastisch • entschlossen • entspannt • erfreut • erfüllt • erleichtert • fröhlich • gelassen • glücklich • gut gelaunt • heiter • kraftvoll • klar • motiviert • ruhig • satt • selbstsicher • selbstzufrieden • sicher

Beispiele für negative Gefühle bei unerfüllten Bedürfnissen
ängstlich • ärgerlich • besorgt • bestürzt • dumpf • durcheinander • einsam • elend • empört • enttäuscht • erschöpft • erschüttert • frustriert • gelangweilt • genervt • getrieben • haßerfüllt • hilflos • mutlos • nervös • traurig • sauer • schockiert • ungeduldig • unruhig • verzweifelt • wütend

Gewaltfreie Kommunikation

Schritt 3: Bedürfnisse

Im vierten Schritt geht es um das Aufspüren und Ausdrücken der eigenen Bedürfnisse oder Interessen, die sich hinter den Gefühlen verbergen.

Was fehlt mir?
Was brauche ich?

Viele Menschen sind der Überzeugung, dass das, was im Außen geschieht, Ursache dafür ist, wie man sich fühlt. Anders in der Gewaltfreien Kommunikation. Hier geht man davon aus, dass Gefühle lediglich der Ausdruck erfüllter oder unerfüllter Bedürfnisse sind. Wichtig ist hier die Formulierung in der Ich-Botschaft, die die Eigenverantwortung für die Gefühle zum Ausdruck bringt. 

Wenn ich denke/sage:
„Ich bin ungeduldig, weil Du so lange brauchst und ich schon so lange warte“, mache ich eine Schuldzuweisung, verharre in der Opferhaltung und mache mich abhängig davon, wie lange der oder die andere braucht, um fertig zu werden.

Wenn ich denke/sage:
„Ich bin ungeduldig, weil mir wichtig ist, meine Zeit sinnvoll zu nutzen“, drücke ich mein Bedürfnis nach Zeit und Selbstbestimmung aus. 

Beispiele für Bedürfnisse:

Sinnhaftigkeit • Autonomie • Erholung • Unterstützung • Geborgenheit • Mitgefühl • Kreativität • Liebe • Sicherheit • Fairness • körperliches Wohlbefinden


Ich erlebe immer wieder in Workshops, wie sich auch Ärger, Wut und Enttäuschung durch die Verbindung (Bedürfnisbewusstsein) mit sich selbst auflösen. Menschen kommen dadurch wieder in ihre eigene Macht, finden eine innere Haltung und Führung. 

Die GFK eignet sich damit auch für eine Aufarbeitung von Situationen, die in der Vergangenheit liegen.

Gewaltfreie Kommunikation

Schritt 4: Bitte

Eine Bitte oder Wunsch formulieren und einen Dialog öffnen.

Was kann mein Gegenüber tun, damit es mir besser geht?

Was kann ich tun, damit es mir besser geht?

Um unsere unerfüllten Bedürfnisse zu befriedigen, formulieren wir eine Bitte an ein Gegenüber oder an uns selbst. 
Wir erhöhen die Chancen auf ein „Ja“, wenn die Bitte positiv, konkret und umsetzbar formuliert ist. 

 Positiv:

👎„Komm nicht mehr zu spät“

 👍„Komm pünktlich“ 

Konkret:

👎„Kümmere dich besser um die Kunden“

 👍„Beantworte jede Mail innerhalb von 48 Stunden und informiere den Kunden, dass Du die Nachricht erhalten hast und bis wann sie/er eine inhaltliche Antwort erwarten kann.“ 

Umsetzbar:

Die Bitten sollten von Deinem Gegenüber umsetzbar sein.
Und da man das manchmal schlecht ein- und abschätzen kann, liegt hier die Krux in der Formulierung des Wunsches als Bitte. Beispiel:

Situation:

„Wenn ich höre, dass du im Meeting von deinem Urlaub erzählst,“
Gefühle
:  „stresst mich das, weil ich noch etliche Aufgaben erledigen möchte,“
Bedürfnis:
 „weil ich heute pünktlich Feierabend machen möchte, da ich abends noch verabredet bin. „
Bitte: Wäre es okay für Dich, wenn wir das Meeting auf maximal eine halbe Stunde begrenzen und uns in dieser Zeit ausschließlich auf das Projekt konzentrieren?

Wenn Du möchtest, kannst Du zu dem anbieten:
Und nachher können wir zusammen in die Mittagspause gehen, wenn Du magst – da haben wir ausreichend Zeit, um über Reiseziele zu sprechen.

2.1 In den Dialog gehen

Wenn wir aus der Haltung der GfK heraus um etwas bitten, akzeptieren wir auch ein „Nein“ als Antwort. Der Umkehrschluss ist jedoch nicht, dass Du dann nachgeben musst, sondern viel wichtiger ist es, dass Du Deine Bedürfnisse nicht aus den Augen verlierst.

Im Dialog kannst Du z.B. fragen: „Wärst Du bereit, Dich mit mir zusammenzusetzen und Ideen zu erarbeiten, wie wir beide unseren Interessen gerecht werden?“


Lassen wir unserem Gegenüber keine Wahl bei der Antwort, dann haben wir keine Bitte, sondern eine Forderung geäußert. Damit werden die Bedürfnisse des Gegenübers nicht geachtet und der Konflikt wird nicht langfristig und nachhaltig gelöst.

3. Was mache ich, wenn mein Gegenüber nicht bereit ist mir entgegenzukommen?

Ist Dein Gegenüber gar nicht bereit mit Dir in den Dialog zu gehen, lautet die Frage:
Was kann ich tun, damit es mir besser geht?

Dann musst Du Dich leider unabhängig machen von Personen, Ort und Zeit:

Statt, das Glas halb leer zu sehen, weil mein Gegenüber mir nicht entgegenkommt, heißt es Verantwortung für seine Gefühle und Bedürfniserfüllung zu übernehmen und zu überlegen, wie man das Glas halb voll machen kann.

Z.B., bei einer unerfüllten Partnerschaft. Frage Dich: Was fehlt Dir?
Zuneigung, Aufmerksamkeit, Geborgenheit, Austausch, Gemeinsamkeit, Sexualität?

All das kannst Du zu Teilen mit anderen Menschen erfüllen. Gemeinschaft in einem Verein, Zuneigung, Aufmerksamkeit mit Freunden, Geborgenheit gibt ggf. die Familie….
Das ersetzt keine Partnerschaft, jedoch kann es das Glas halb voll machen.

4.Übung macht die/den Meister:in

Zugegeben, GFK zu erlernen, bedarf ein wenig Übung. Trotzdem kann das Konzept Dich bereits heute dabei unterstützen, Konflikte ganz neu zu bewerten und eine andere Haltung zu entwickeln.


Du verschaffst Dir Bewusstheit und Klarheit über Deine unerfüllten Bedürfnisse und Deine Interessen. Mit diesem Bewusstsein legt sich oft der erste Ärger, der in unserer üblichen Art zu kommunizieren eskalierend auf Konfliktverläufe wirkt. Ziel der GFK ist es, mit sich selbst und dem/r Gegenüber auf eine Art in Kontakt zu kommen, die ohne Vorwürfe, Schuld, Scham, Kritik und Strafe auskommt.


Moin!

Ich bin die norddeutsche Imke. Ich bin High Impact Kommunikations-Trainerin und Stärken-Coach.

Warum High Impact? Nach über 15 Jahren Tätigkeit als Coach & Trainerin habe ich keinen Bock mehr auf Standard-Trainings und bin zur Profilerin für Knallerfälle mutiert.

Ich liebe es, aus meinem prall gefüllten Koffer an Methoden und Erfahrungen zu schöpfen und mit den Kunden Lösungen für die oft kniffligen und kritischen Situationen zu erarbeiten.
#highimpactkommunikation

Und das »Artgerecht« (passend zur Persönlichkeit) #stärkenorientierung

Weil, »Fun is Fundamental« Spreche ich Deutsch, Englisch, Tacheles und Humor und teile gerne Methoden und Erfahrungen in meinem Podcast-UNSHAKEN. Solo oder mit coolen Gast-Expert:innen.

Imke Leith

UNSHAKEN Podcast

In Episode #58 beleuchte ich im Gespräch mit meiner Kollegin Ina Temp, die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) und wir zeigen, wie man einen Dialog öffnet und dabei achtsam und respektvoll miteinander im Beruf und Alltag gute Lösungen für beide Parteien erarbeiten kann. (Länge: 23 Minuten)

In Episode #56 – Leichter führen und motivieren mit Neuro-Leadership, beschreibe ich die fünf sozialen Grundbedürfnisse, das SCARF-Modell nach David Rock. Alle Konflikte, beruflich wie privat, kann man auf die fünf Grundbedürfnisse zurückführen…

Jetzt in den Podcast reinhören oder reinschauen.

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